Dr. Andrea Vathje

Head of Privatize Private Markets Institute

Mai 2025|10 Minuten Lesezeit

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Infrastruktur-Investments: „Die Tür steht nun sperrangelweit offen“

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Die Bundesregierung will mit einem milliardenschweren Infrastrukturpaket wichtige Wirtschaftsbereiche stärken. Gleichzeitig eröffnen regulatorische Neuerungen wie das offene Infrastruktur-Sondervermögen und zuletzt die Eltif-II-Reform Privatanlegern neue Zugänge zu dieser Anlageklasse. Wie Anleger davon profitieren können, erklären Robert Engel (Allianz Global Investors), Ludger Wibbeke (HANSAINVEST), Michael Kohl (KGAL), und Andrea Vathje (Privatize).

DAS INVESTMENT: Die Bundesregierung will ein milliardenschweres Infrastrukturpaket auf den Weg bringen. Ist dies ein guter Zeitpunkt für Privatanleger, um in die Asset-Klasse Infrastruktur zu investieren?

Robert Engel, AGI: Das ist auf jeden Fall ein gutes Zeichen, das Thema gerät damit in den Fokus. Durch die Eltif-II-Novelle ergibt sich zudem nun auch für Privatanleger die Möglichkeit, in eine breite Palette von Produkten zu investieren und sich aus allen möglichen Investments genau das gewünschte Risikoprofil herauszusuchen.

DAS INVESTMENT: Was ist das Besondere an der Anlageklasse Infrastruktur?

Michael Kohl, KGAL: Aus Sicht eines Privatinvestors ist Infrastruktur etwas Anfassbares. Die Assets in einem Sachwertefonds erscheinen greifbarer als es rein finanzielle Werte in anderen Fonds sind. Infrastruktur ist meist attraktiv korreliert zu einem klassischen Portfolio aus Aktien und Anleihen. Die Anlagen bestehen oft auch in wenig wettbewerbsintensiven Bereichen: Es gibt an einer bestimmten Stelle eben nur eine und nicht zwei Mautstraßen. Die langfristigen Verträge bieten zudem auch langfristig sichere Einnahmen.

Andrea Vathje, Privatize: Ein Kernmerkmal ist auch der Inflationsschutz: Einige Infrastruktur-Investments sind inflationsindexiert. Oder die Nachfrage in dem Bereich ist so unelastisch und unabhängig von Preisentwicklungen, dass Preissteigerungen direkt weitergegeben werden können. 

DAS INVESTMENT: Welche Arten von Investments fallen eigentlich unter Infrastruktur?

Michael Kohl, KGAL: Der Gesetzgeber definiert Infrastruktur als „alles, was dem Gemeinwohl dient“. Es gibt Energieinfrastruktur, Verkehrsinfrastruktur, digitale Infrastruktur und soziale Infrastruktur – wobei die Abgrenzungen nicht immer ganz trennscharf sind.

Robert Engel, AGI: Infrastruktur ist allgegenwärtig – von der schon erwähnten Mautstraße über Tunnel und Eisenbahnen bis zu Datenzentren. Wir als Allianz managen mehr als 50 Milliarden Euro in diesem Bereich. 

Ludger Wibbeke, HANSAINVEST: Infrastruktur ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Wir bemerken in dem Bereich aber den Trend, dass Fonds nicht mehr nur in eine einzige Asset-Klasse investieren, sondern Themen miteinander kombinieren. Statt einen reinen Photovoltaik-Fonds aufzulegen, werden zum Beispiel industrielle Wärmepumpen, Bioenergie, Großbatteriespeicher, Wärme- und Stromnetze oder Ladeinfrastruktur beigemischt. All diese Themen kann die HANSAINVEST auch in Fonds abbilden.

DAS INVESTMENT: Wie generiert ein Investor aus einem Infrastruktur-Investment eigentlich eine Rendite?

Andrea Vathje, Privatize: Über Kapitalsteigerung oder Ausschüttungen, wie bei anderen Fonds auch. Bei konkreten Infrastrukturprojekten können Erträge durch Verpachtung, Vermietung oder den Betrieb entstehen. Man kann zwischen Eigenkapitalbeteiligung und Finanzierungen unterscheiden – letztere sind typischerweise weniger risikoreich.

DAS INVESTMENT: Wie bewerten Sie insgesamt das Rendite-Risiko-Profil von Infrastrukturinvestments im Vergleich zu traditionellen Anlageklassen?

Andrea Vathje, Privatize: Man muss unterscheiden: Ein Greenfield-Investment – ein Projekt, das auf der grünen Wiese erst entstehen soll – birgt höhere Risiken und hat entsprechend höhere Renditepotenziale als eine schon etablierte Anlage.

Ludger Wibbeke, HANSAINVEST: Wichtig zu verstehen ist, dass ein Infrastrukturinvestment oft ein selbst verbrauchendes Asset ist. Bei Erneuerbaren Energien zum Beispiel hat sich das Asset oft nach 20 bis 30 Jahren abgenutzt. Dann müssen Sie zum Beispiel die Module einer Photovoltaik-Anlage austauschen. Dagegen haben Immobilien in der Regel viel längere Nutzungszeiten. Das ist per se kein Vor- oder Nachteil, muss jedoch insbesondere bei der Strukturierung berücksichtigt werden.

DAS INVESTMENT: Wie können staatliche und private Investitionen im Bereich Infrastruktur zusammenspielen?

Ludger Wibbeke, HANSAINVEST: Zunächst einmal meine ich: Die 500 Milliarden Euro, die die Bundesregierung bereitstellen will, sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Über zehn Jahre investiert sind das gerade einmal 50 Milliarden pro Jahr. 

Michael Kohl, KGAL: Der Plan der Bundesregierung wird nur wirken, wenn wir in noch größerem Maße auch private Investitionen mobilisieren können. Wichtig für eine solche Multiplizierung ist aber, dass angesichts des Sondervermögens die Genehmigungsverfahren schneller werden. Und dass in Deutschland bürokratische Prozesse schlanker werden. 

Ludger Wibbeke, HANSAINVEST: Der Staat sollte das Geld nutzen, um das Thema am besten indirekt zu unterstützen, quasi zu hebeln, anstatt selbst zu investieren. Mit den 50 Milliarden Euro pro Jahr, die die Bundesregierung in Aussicht stellt, sollte er vor allem die 2,8 Billionen Euro entfesseln, die aktuell nur auf deutschen Sparkonten von Privatanlegern liegen. Institutionelle Anleger kommen noch dazu. Man sollte gesetzliche und aufsichtsrechtliche Anreize schaffen, damit diese Gelder auch für die angestrebte Transformation verwendet werden.

Andrea Vathje, Privatize: Ja, der Staat sollte das Geld geschickt einsetzen. Beim Inflation Reduction Act in den USA wurde ein Großteil des Gelds als Steuer-Incentives für private Investitionen zur Verfügung gestellt. Das könnte man in Deutschland auch so machen.

DAS INVESTMENT: Welche Arten von Infrastruktur-Investments eignen sich besonders gut für Privatanleger?

Robert Engel, AGI: Wir raten, Investments zu diversifizieren. Also nicht ausschließlich auf Energie, auf Straßen oder auf Rechenzentren zu setzen. Je weniger Geld angelegt wird, desto breiter sollte das Portfolio aufgestellt sein. Privatkunden mit 100.000 bis 500.000 Euro würde ich immer raten, breit zu investieren und auf eine entsprechende Expertise und Erfahrung des Anbieters im jeweiligen Bereich zu achten.

DAS INVESTMENT: Wie viel Infrastruktur tut einem Portfolio aus Ihrer Sicht gut?

Andrea Vathje, Privatize: Aus Diversifikationsaspekten erscheinen für Privatanleger vielleicht 10 bis 15 Prozent in privaten Märkten wie Infrastruktur sinnvoll. Das kann Resilienz ins Portfolio bringen, es unabhängiger von Volatilität machen und zu einem gewissen Grad vor Inflation schützen.

DAS INVESTMENT: In Deutschland gibt es in diesem Bereich für Privatanleger vor allem das offene Infrastruktur-Sondervermögen und den Eltif. Was sollte ein Fondsanbieter bedenken, wenn er sich für eine Hülle entscheidet?

Andrea Vathje, Privatize: Das Infrastruktur-Sondervermögen ist ein deutsches Vehikel nach dem KAGB, dem Kapitalanlagegesetzbuch. Es ist rein auf Infrastruktur fokussiert und schreibt relativ strikte Quoten für Investments vor. Der Eltif basiert auf einer EU-Verordnung und kann auch in Private Equity, Private Debt oder Immobilien investieren. Mit der Eltif-II-Verordnung gibt es seit Neuerem nun auch semi-liquide, offene Eltifs.

Michael Kohl, KGAL: Bei KGAL haben wir uns für das offene Infrastruktur-Sondervermögen entschieden, weil es sich an den bekannten offenen Immobilienfonds anlehnt und dadurch für Berater und Anleger leicht zu erklären ist. Zur Auflage des KGAL Klimasubstanz 2023 gab es die Eltif-II-Novelle auch noch gar nicht. Für uns würde ein Eltif allerdings auch keinen Vorteil bringen, denn wir haben den Fonds rein für den regionalen Vertrieb in Deutschland aufgelegt.

Robert Engel, AGI: Bei uns steht die europaweite Abdeckung im Fokus. Mit einem Eltif können wir die Kapazitäten hebeln. Das administrative und technische Set-up beim Eltif ist zwar aufwendig, aber unser klares Ziel ist es, die Private Markets im weiteren Sinne für Retail-Investoren zu öffnen. Daher setzen wir auf den Eltif.

DAS INVESTMENT: Was sind die Kernpunkte, die sich mit der Eltif-II-Reform verbessert haben?

Andrea Vathje, Privatize: Auf der Vertriebsseite ist jetzt der separate Vermögenscheck weggefallen, so dass sich die geforderte Prüfung nun auf eine gewöhnliche Geeignetheitsprüfung nach Mifid II beschränkt. Zudem haben Anbieter mehr Freiheiten, Investments zu tätigen, vorher durften es nur Direktinvestments sein. Neben geschlossenen Vehikeln gibt es jetzt auch Evergreen-Strukturen. Dort lassen sich Anteile bereits während der Laufzeit unter gewissen Bedingungen zurückgeben.  Außerdem das Gating: Asset Manager können festlegen, wie viel des ausstehenden Volumens sie pro Rückgabetermin zurücknehmen. Bei zu hohen Rückgabewünschen werden Anleger anteilig bedient und müssen zur nächsten Möglichkeit einen neuen Antrag stellen. 

Michael Kohl, KGAL: Das Gating ist eine gute Idee, es sollte das Risiko von Panikverkäufen deutlich vermindern. Diese Regelung ist zunächst nur beim Eltif anzuwenden. Sie könnte zukünftig aber auch noch einmal in andere Produkte einziehen. 

Ludger Wibbeke, HANSAINVEST: Bemerkenswert beim Eltif ist auch: Die Bafin hat in ihren Erläuterungen zur Eltif-Reform im Februar 2024 erstmals auf ein „Goldplating“ verzichtet – es gibt also keine besonderen einschränkenden nationalen Regeln für europäische Produkte in Deutschland mehr.

DAS INVESTMENT: Andere EU-Länder waren beim Eltif forscher. In Italien und Frankreich gab es auch in der Vergangenheit schon viel mehr Produkte als in Deutschland. Woran lag das?

Andrea Vathje, Privatize: In Italien kann ein Eltif in die Pensionsanlage integriert werden und ist unter bestimmten Voraussetzungen bei längerer Haltedauer steuereffizient. In Frankreich lassen sich Private Markets vor allem über den Eltif in die private Altersvorsorge integrieren.

DAS INVESTMENT: Eltifs sind für Privatanleger relativ teuer, gerade wenn man sie mit den beliebten ETFs vergleicht. Wie rechtfertigen Sie das?

Michael Kohl, KGAL: Ein ETF hat in der Regel ein passives Management, während Infrastrukturfonds wie Eltifs aktiv gemanagt werden. Von daher sind die Gebührenstrukturen von ETF und Eltif gar nicht vergleichbar. Bei Eltifs muss man außerdem bedenken: Ähnlich wie bei spezialisierten Aktienfonds steigen mit dem Grad der Spezialisierung und der erwarteten Rendite auch die Gebühren.

DAS INVESTMENT: Bei Infrastrukturfonds scheinen viele Faktoren hineinzuspielen, auf die das Fondsmanagement keinen Einfluss hat. Wie lassen sich Renditen von Infrastrukturprojekten prognostizieren?

Robert Engel, AGI: Sie nennen völlig zu Recht Faktoren, auf die man als Investor keinen Einfluss hat. Daher ist eine umfassende Risikoanalyse vor dem Investment unerlässlich. Dabei werden auch vorteilhafte und weniger vorteilhafte Szenarien modelliert. Zudem versucht man als Infrastrukturinvestor, bestimmte Risiken entweder mit Prämien zu bepreisen oder zu minimieren beziehungsweise auszuschließen. So kann man zum Beispiel bei Energieinfrastruktur durch langfristige Verträge eine gewisse Preisbindung sicherstellen. Entscheidend für realistische Renditeprognosen ist, dass das Management Erfahrung mit solchen Projekten hat. Wer schon einmal in einen Windpark investiert hat, kennt viele Details, bis hin zu der Erfahrung, wie regelmäßig Bauteile ersetzt werden müssen. 

DAS INVESTMENT: Wie schätzen Sie die Zukunftsaussichten für Infrastruktur-Investments und speziell Eltifs ein?

Ludger Wibbeke, HANSAINVEST: Das Fondsstandortgesetz von 2021 hat bereits dafür gesorgt, dass die Fondsstruktur offener Immobilienfonds seitdem auch für Infrastruktur genutzt werden konnte. Seitdem ist die Tür für Infrastruktur-Investments 10 Zentimeter offen gewesen. Mit dem Eltif steht sie nun sperrangelweit offen. Die Eltif-Zahlen dürften boomen, besonders wenn man dieses Investment hierzulande noch mit dem wichtigen Thema Altersvorsorge verbindet. 

Robert Engel, AGI: Wir denken auch, dass das Thema boomen wird. Ich appelliere in dem Zusammenhang an Finanzberater: Trauen Sie sich, mit Ihren Kunden über Infrastruktur-Investments zu sprechen. Kaum ein Anleger wird wohl von sich aus nach einem Eltif fragen, aber viele Anleger möchten am Thema Infrastruktur teilhaben.

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